Hauptsache Dabei? Wir können leider nicht mitspielen.

Wir müssen reden: Ein neues Festival für Hamburgs freie Tanz-, Theater- und Performanceszene findet im Frühjahr 2015 erstmals statt, gefördert mit jährlich 60.000 € einer neuen Festivalförderung der Kulturbehörde Hamburg: Hauptsache Frei. Die Ausschreibung versprach „den selbstausbeuterischen Festivalrealitäten einen Riegel vorzuschieben“. Dieses politische Statement fanden wir vielversprechend und unterstützenswert, deshalb haben wir uns mit unseren Produktionen beworben. Aus 50 Bewerbungen sind wir von der Jury als Teil der engeren Auswahl vorgeschlagen worden und wurden dann von den Festivalleiterinnen Anne Schneider und Sarah Theilacker über die Konditionen für unsere Teilnahme informiert: 150 € Abendgage für die Performer_innen, 100 € Administrationspauschale, 100 € Wiederaufnahmepauschale.

Wir haben zu oft im stillen Kämmerlein zweifelnd Ja oder leise Nein zu schlechten Arbeitsbedingungen gesagt und wollen nun aus der Not, erst nach unserer Bewerbung von den Konditionen erfahren zu haben, eine Tugend machen: Ein neues Festival für die freie Szene ist ein Anfang, eine Chance, den Status Quo ernsthaft zu hinterfragen und für unser Publikum, aber auch die politischen Vertreter_innen sichtbar zu machen. Wir wünschen uns gemeinsam mit ihnen, aber auch mit der Festivalleitung, dem Festivalträger und den teilnehmenden Künstler_innen von Hauptsache Frei in einen offenen Dialog zu treten.

Wir sind sieben Theatermacher_innen/Choreograph_innen aus Hamburg und haben uns gemeinsam entschieden, unsere Bewerbungen für das Festival Hauptsache Frei zurückzuziehen, weil…

… die Bezahlung nicht ansatzweise dem im Ausschreibungstext formulierten Anspruch des Festivals gerecht wird, „den selbstausbeuterischen Festivalrealitäten einen Riegel vorzuschieben“. Aus Perspektive der Künstler_innen können und wollen wir diese Festivalkonzeption und die Verteilung der Gelder nicht mit unserer Teilnahme unterschreiben.

… für uns auch nach einem offenen, konstruktiven Gespräch mit der Festivalleiterin Anne Schneider zu viele der Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind: In welcher Weise reagiert das Festival auf die mangelnde Finanzierung und Sichtbarkeit der freien Szene in Hamburg? Auch wenn uns eine gestaffelte Erhöhung der Wiederaufnahmepauschale von auf 200 € oder 300 € (je nach Anzahl der Beteiligten) angeboten wurde, bleiben wir bei unserem Nein. Nein zur ‚Hauptsache dabei‘- Mentalität, die immer wieder mit zu wenig Geld doch alles möglich macht. Wenn die Schauspielerin Judith Rosmair als Festivalbotschafterin sagt: „Freischaffender Künstler ist ein Beruf!”, fügen wir zustimmend hinzu: „Und von einem Beruf muss man leben können.“

… es nicht nur ums Geld geht, sondern um die Haltung: Ja, das Festival bietet finanziell mehr als viele andere freie Festivals. Aber es hat als Neugründung verpasst, sich politisch zu positionieren und unabhängig zu überlegen, welche Bezahlungen und Probensituationen es braucht, um der Öffentlichkeit gut geprobte und professionelle Wiederaufnahmen zu präsentieren.

… wir nicht länger bereit sind, prekäre Arbeitsbedingungen an unsere Teams weiterzureichen. Ein professionelle Wiederaufnahme braucht nicht, wie vom Festival kalkuliert, einen Probentag, sondern je nach Aufwand zwei bis fünf – die Pauschalen müssten also größtenteils in zusätzliche Probenräume und Übernachtungen investiert werden und wir als Choreograph_innen/Regisseur_innen würden somit kaum etwas, nichts oder sogar weniger verdienen. Der Stundenlohn der Performer_innen läge weit unter dem von der Stadt Hamburg eingeführten Mindestlohn von 8,50 € und der Lohnuntergrenze von 500€ pro Woche, die der Dachverband Freier Theaterschaffender Hamburg einfordert. Der Dachverband hat jedoch gleichzeitig die Bewerbung von Hauptsache Frei auf die neue Festivalförderung begleitet und unterstützt.

… wir in unseren Förderanträgen diese Lohnuntergrenze von 500 € pro Woche nicht glaubhaft von der Kulturbehörde Hamburg einfordern können, wenn wir dann wieder selbst eine Ausnahme machen. Wir fordern die Jurys der Kulturbehörde auf, bei zukünftig eingereichten Anträgen die Gagen, die diese Lohnuntergrenze nicht einhalten, nach oben zu korrigieren.

… wir nicht davon überzeugt sind, dass dieses Festival die Bandbreite der freien Szene in Hamburg anspricht und sichtbar macht. Dem Hamburger Publikum werden dadurch aufwendigere Produktionen und auch viele etablierte Künstler_innen der freien Szene vorenthalten, die sich vermutlich auf Grund der Festivalbedingungen gar nicht erst bewerben.

… wir den Mehrwert für Hamburger Künstler_innen nicht sehen, zu schlechten Probenbedingungen und Gagen unsere Produktionen für nur eine einzige Aufführung in Hamburg wiederaufzunehmen – bei einem Festival ausschließlich für Produktionen aus Hamburg. Sichtbarkeit und Vernetzung sind wichtige Ziele eines Festivals, können aber nicht die schlechten Arbeitsbedingungen der Künstler_innen wettmachen. Wir sehen in der Konzeption von Hauptsache Frei die Interessen der Künstler_innen nicht stark genug vertreten: Gerade ein Festival ausschließlich für Produktionen aus Hamburg sollte die spezifischen Arbeitsbedingen und Strukturen der Szene vor Ort thematisieren und durch andere Standards ein deutliches Signal an die Künstler_innen, das Publikum und die (Kultur)-politik senden.

… wir die Entscheidungen des Festivals zur Verteilung der knappen Gelder sichtbar machen wollen: Ein vielversprechendes Begleitprogramm mit Podiumsdiskussionen und kostenlosen Workshops für alle wird finanziert, ebenso werden weitere Gelder für einen öffentlichkeitswirksamen Preis akquiriert. Das ist nicht nachvollziehbar, wenn man nicht zuallererst die auftretenden Künstler_innen angemessen entlohnt, mit denen ein Festival steht und fällt. Auch auf unseren Vorschlag, weniger Produktionen (10-15 sind geplant, teilweise 3-5 an einem Abend im selben Theater) zu zeigen, die dann ausreichend geprobt und angemessen entlohnt werden, wurde nicht eingegangen.

… unsere Kritik mal wieder zeigt, dass die sogenannte ‚freie Szene‘ eben nicht „frei von institutionellen Zwängen, oftmals in Abgrenzung zu verbreiteten Hierarchie-, Markt- und Marketingstrukturen“ (Ausschreibungstext Hauptsache Frei) existiert. Wir lehnen es ab, uns in scheinbarer Abgrenzung zu den Institutionen (mit denen wir immer wieder gerne kooperieren) als besonders frei, experimentell, wild, innovativ oder als „kreative(r) Humus des etablierten Theaters“ (Judith Rosmair auf der Festivalhomepage) zu vermarkten!

… die neue Festivalförderung Ergebnisse und Forderungen der von der Kulturbehörde 2010 selbst in Auftrag gegebenen Potentialanalyse der freien Theater- und Tanzszene in Hamburg nicht maßgeblich umsetzt: Weder die geforderte „Aufführungsförderung, Wiederaufnahmeförderung und Gastspielförderung“ wurden eingeführt, noch kann man mit 60.000 € Festivalförderung und der von Hauptsache Frei vorgesehenen Verteilung dieser Gelder etwas an der beschriebenen Situation ändern: „Alle Festivals des freien Theaters in Hamburg sind finanziell unterausgestattet und daher nur auf der Basis von Selbstausbeutung aller Beteiligten möglich.“

(www.hamburg.de/contentblob/3425334/data/potentialanalyse-freie-szene.pdf)

… genügend Künstler_innen, Praktikant_innen und unbefristete Arbeiter_innen mit der Hoffnung ‚bezahlt‘ worden sind, mehr Geld einfordern zu können, wenn sie erst mal bewiesen haben, wie innovativ, vielfältig und spannend sie sind – im Fall von Hauptsache Frei geschieht dies vor allem zu Nutzen der Stadt Hamburg als Kreativmarke. Wobei wir mal wieder beim Manifest Not In Our Name, Marke Hamburg! von 2009 wären…

… wir hoffen, dass durch unsere Absage die teilnehmenden Produktionen besser entlohnt werden und wir eine solidarische Debatte und eine langfristige Absage an die (selbst)ausbeuterischen Arbeitsbedingungen der freien Künstler_innen anstoßen!

In diesem Sinne nehmen wir den Anspruch des Festivals beim Wort und „schieben den selbstausbeuterischen Festivalrealitäten einen Riegel vor“. Hauptsache frei und nicht dabei sind:

– Bauchladen Monopol (Carolin Christa, Sonia Franken, Sophia Guttenhöfer, Regina Rossi): giselles index oder plakat taten, Premiere 2013 im öffentlichen Stadtraum

– Verena Brakonier: VERWÖRTERN oder wie man auf den Hund kommt, Premiere 2013, K3 – Zentrum für Choreographie

– Greta Granderath: Or One Dancing, Premiere 2013, K3 – Zentrum für Choreographie

– Regina Rossi: tchi-kudum: movimento dois, Premiere 2013, Kampnagel

– Jonas Woltemate: The beat on us, Premiere 2014, K3 – Zentrum für Choreographie

Hauptsache Dabei? Wir können leider nicht mitspielen.

13 Gedanken zu “Hauptsache Dabei? Wir können leider nicht mitspielen.

  1. Dani Brown schreibt:

    Ladies thanks, it was so great I have read the whole thing, even in German. I will send those of you whose email I have the letter that I sent to them when they sent me the conditions Of the festival. I was shocked. So lame… So lame. Eh voila hamburg the cunundrum, love dani

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  2. Jonas Leifert schreibt:

    … eine mutige und wichtige Positionierung.

    Ich bin gespannt, was der Vorstand des Dachverbands Freier Theaterschaffender Hamburg dazu sagt, der am 19.12.2013 seinen Mitgliedern in einer internen Stellungnahme die Unterstützung des Festivals mit folgenden Ausführungen erläutert hat:

    „Wir sind gefragt worden in diesen Verbund (Monsun Theater, Lichthof Theater und Hamburger Sprechwerk als Antragsteller für die Festivalförderung der Kulturbehörde Hamburg, Anm. J.L.) mitzuwirken und haben uns dazu entschlossen, um in folgendem Sinne Einfluss auf dieses neu zu gestaltende Festival nehmen zu können:
    Es geht vor allem um die Forderung nach Einhaltung von Mindesthonoraren, um die gleichberechtigte Behandlung aller Sparten und darum eine größtmögliche Sichtbarkeit für die Tanz- und Theaterschaffenden in dieser Stadt zu erzielen. Wir wollen den Mitgliedern des DFTHH, der vor allem aus Einzelkünstlern und Gruppen besteht, eine starke Plattform bieten. Unter dieser Konstruktion wird der DFTHH auch in den kommenden Jahren einen entscheidenden Einfluss auf das Festival des Freien Theaters in Hamburg haben. So verstehen wir Verbandsarbeit und dafür werden wir uns einsetzen.“

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    1. Tatjana D. schreibt:

      Da bin ich auch sehr gespannt!

      Und übrigens: Humus bezeichnet die Gesamtheit der toten organischen Substanz eines Bodens. Soll das etwas das Selbstverständnis von Künstlern und Kulturschaffenden sein, die nicht fest angestellt in Institutionen arbeiten?

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  3. Mark Rabe schreibt:

    Ein „Nein“ nach der Nominierung für ein Festival muß man sich leisten können. Für ein „Nein“ muß man auch unabhängig sein. Ein „Nein“ provoziert das „warum?“ des Festivals und der Mit-Nominierten. Ein entschlossenes „Nein“ muß immer die Grundsatzfrage stellen.
    Warum gibt es jetzt dieses Hamburger Festval mit einem auch noch geschmäcklerischen Titel? (denn „fHauptsache“ frei ist für viele ja nur der notgedrungene Arbeitsbereich, um überhaupt seiner kreativen Tätigkeit nachgehen zu können). Warum glaubt man, es mit nur 60.000,-€ Ausstattung am Bedarf der Gruppen orientiert installieren zu können? Wieso ist es nicht vielmehr ein produzierendes Festival (mit weniger Gruppen) geworden, um wirklich an der skandalös unterfinanzierten Förderung für freies Theater in Hamburg einmal im Jahr etwas für ein paar Gruppen zu ändern?

    Zunächst einmal muß man feststellen: Die Initiatoren sind nicht unabhängig. Das neue Festival wird an der Misere nichts ändern, solange sich andere Ensembles finden, die die Gagenspirale nach unten auch in diesem Fall weiter mittragen. Haben die das Festval initiierenden Institutionen und Spielstätten versäumt, der Hamburger Kulturbehörde einen weitaus höheren Etat für „Hauptsache frei“ abzufordern? War nicht mehr möglich? – In Hamburgs freier Theaterszene ist der Ungeist des ‚Hauptsache dabei‘ die leider einzige Alternative für finanziell irgendwie gefördertes Theaterschaffen (wenn man sich überhaupt noch bewirbt), daß tatsächlich die einzige aus Selbstachtung getroffene Haltung sein kann: Dann ohne mich.

    Damit die (bislang symbolische) Absage von Verena Brakonier nicht als Fußnote im Orkus verschwindet, bräuchte es jetzt Solidarität in Hamburgs freier Szene auf der ganzen Linie – und zwar unabhängig von dieser neualten Festivalstruktur. Aber daran mangelt es seit Jahren chronisch, siehe: „Koalition der Freien“. Entweder man ist als freier Theatermacher in Hamburg durch die jahrelange Ignoranz der hiesigen Kulturbehörde sowie Unterfinanzierung total frustriert, auch zum enttäuschten Zaungast degradiert und macht gar nicht mehr Theater; man ist ob der Situation längst aus Hamburg weggezogen und kommt maximal noch für ein Gastspiel; oder man gehört zu den wenigen Geförderten, die allerdings mit Ellenbogen agieren und nicht wissen, wie man Partizipation und Inklusion politisch für die freien Künstlerkollegen Hamburgs gestaltet, weil das durch die äußere Situation von der Politik so erzwungen wird.

    Fragen, die hier gestellt wurden, aber im Kreis von Gleichgesinnten und Entschlossenen besprocen werden müßten. Solange wir freien Künstler in Hamburg uns nicht ändern, ändert sich nichts!

    Um aber nicht falsch verstanden zu werden: Das deutschsprachige Staats- und Stadttheatersystem mit hunderttausenden von festbefristeten Arbeitsplätzen hat uns Theaterleute leider auch arg verdorben, indem es ein Anspruchsdenken tradiert, das mit wirklich großer Kunst nicht unbedingt in Einklang zu bringen ist. Ich als Theaterproduzent will meine Teams auch anständig bezahlen und arbeite in der Doppelfunktion als Dramaturg nicht bei einer professionellen Anforderung, wenn das Honorar nicht stimmt. Dann ohne mich.
    Große Theaternationen wie Frankreich, Italien oder Großbritannien kennen jedenfalls unser Un-System der subventionierten Arbeitsplätze in unserer Breite gar nicht. Deshalb ist mir die Präzisierung meiner Perspektive an dieser Stelle wichtig: Wenn ich mit Förderung arbeite, dann nur ohne jeglichen Anflug von Selbstausbeutung. Oder aber ganz ohne Förderung, wenn die Gruppe hoffentlich den existentiellen Drang spürt, einen Stoff/ein Thema unbedingt auf die Bühne zu bringen. Letzteres stellt dann endlich die wichtigste Frage nach künstlerischer Qualität, Haltung und Ausdruckswille, um die es mir jenseits von ‚Förderung oder nicht‘ ohnehin am meisten geht.

    Mark Rabe

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    1. Vielen Dank für deinen Kommentar Mark!
      Nur eine Anmerkung:

      Nicht dabei sind insgesamt 7 Hamburger Theatermacher_innen/Choreograph_innen:

      – Bauchladen Monopol (Carolin Christa, Sonia Franken, Sophia Guttenhöfer, Regina Rossi): giselles index oder plakat taten, Premiere 2013 im öffentlichen Stadtraum

      – Verena Brakonier: VERWÖRTERN oder wie man auf den Hund kommt, Premiere 2013, K3 – Zentrum für Choreographie

      – Greta Granderath: Or One Dancing, Premiere 2013, K3 – Zentrum für Choreographie

      – Regina Rossi: tchi-kudum: movimento dois, Premiere 2013, Kampnagel

      – Jonas Woltemate: The beat on us, Premiere 2014, K3 – Zentrum für Choreographie

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  4. Finde es sehr gut,
    dass ich gemeinsam gehandelt habt und noch besser, dass ihr einen längst überfälligen Diskurs angestossen habt!
    Ich hab dieses Jahr hier in Hamburg einen Regie-Job abgesagt, weil sie sich geweigert haben, meine Regieassistentin anständig zu bezahlen und fand`s eine wirklich schwierige Entscheidung. Aber wenn man/frau keine inakzeptablen Arbeitsverhältnisse weiter- und mittragen will, ist konsequentes Handeln gefragt. Nur finden sich ja immer leider genügend andere, die dann in die Bresche springen, deswegen ist ein solidarisches Vorgehen das einzig richtige.
    Hoffe, es bewegt sich was!
    Grüsse,
    Liz
    PS: Lesetipp zum Thema: http://probebuehneimgaengeviertel.files.wordpress.com/2011/11/be-creative-bernadette-loacker.pdf

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  5. Danke, dass Ihr mit diesem Blog einer wichtigen Debatte neues Futter gebt, die wir dringend – nicht nur auf Hamburg bezogen, aber gern an diesem konkreten Beispiel – führen müssen! Die Frage ist, was ist eine faire Bezahlung für die Darstellende Kunst und wie kann diese von allen Beteiligten (Institutionen, Förderern, freien Künstler_innen) garantiert werden.
    Die Festivalmacherinnen haben in ihrer Ausschreibung für das neu gegründete Festival Hauptsache frei das Ziel formuliert, „den selbstausbeuterischen Festivalrealitäten einen Riegel vorzuschieben“. Jetzt werden sie von den Akteur_innen der Freien Szene daran gemessen. Mit ihrer transparenten Kommunikation der Tarife, die gezahlt werden können, ermöglichen sie eine Diskussion über die Arbeitsbedingungen, die das Festival zum gegenwärtigen Zeitpunkt leisten kann. Sie haben sich als Leiterinnen für eine bestimmte Festivalkonzeption entschieden, die es ihnen erlaubt, bestmöglich mit den limitierten Ressourcen umzugehen. Ob diese Konzeption der richtige Weg ist, dazu gibt es sicherlich unterschiedliche Sichtweisen. Aber letztendlich geht es vor allem um die Frage nach angemessener Bezahlung und den bestmöglichen Arbeitsbedingungen. Wir, der Vorstand des DFT, werden uns dafür einsetzen, dass diese Debatte im Rahmen des Festivals öffentlich geführt wird. Das Festival – als Festival von der Freien Szene für die Freie Szene – ist dafür der richtige Ort , keine Institution/ kein Gatekeeper unterbindet den Diskurs.
    Und wir werden die Gespräche über die Bedeutung der Freien Szene für Hamburg und damit auch über die dringend notwendige bessere Finanzierung auch auf anderen Ebenen aufnehmen. Am 20.1.15 laden wir anlässlich der bevorstehenden Bürgerschaftswahl zu einer Diskussionsveranstaltung mit den kulturpolitischen Sprecher_innen der Regierungs- und Oppositionsparteien der Bürgerschaft ins Lichthof Theater ein. Bitte kommt alle zu dieser Veranstaltung, um unserer gemeinsamen Forderung nach fairen Arbeitsbedingungen Eure Stimme zu leihen!
    Anna, Barabara, Judith, Kaja und Susanne (Vorstand DFT)

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  6. Mark Rabe schreibt:

    Sorry, Vorstand DFT, wir sitzen ja in einem Boot, aber Ihr entfernt Euch leider arg an der Ursache vorbei vom Kern des „Nein“s der 7 Performerinnen, das die Gagenzahlung bei „Hauptsache frei“ m.E. nur als Anlaß genommen hat, die Festivalleitung im konkreten Fall beim Wort zu nehmen. Wo ist Eure Empörung?? Das, was Ihr mit Eurem Blogeintrag macht, ist der Versuch, das Symptom (neues Festival) zu moderieren, wo es angesichts der selbstausbeuterischen Unterfinanzierungssituation in Hamburg generell längst schon absolut nichts, aber auch gar nichts mehr, zu moderieren gibt! Am wenigsten von uns selbst.
    Auf keinen Fall bitte „eine Diskussion über die Arbeitsbedingungen, die das Festival zum gegenwärtigen Zeitpunkt leisten kann“ (wie bitte?!?) sollten von uns geführt werden, sondern nur noch die Grundsatzfragen unter uns selbst: Welche Arbeitsbedingungen und öffentliche Förderungshöhe erlaubt deutlich mehr Gruppen und Einzelkünstlern die Selbstachtung in der Ausübung unseres Berufs, wann mache ich es nicht mehr? – In Anlehnung an Stadttheatergagen, BAT oder TV-L weiß man um ein Minimum von 2.500€ brutto pro Monat bei Vollzeit, 5 Jahre Berufserfahrung und abgeschlossener Ausbildung sofort bescheid. Und HH ist relativ teuer.
    „Für eine bestimmte Festivalkonzeption entschieden, die es ihnen erlaubt, bestmöglich mit den limitierten Ressourcen umzugehen“ – Hä?! Das unterschreibt so doch erst mal jeder. Aber ist denn nicht klar, daß die Hauptaussage des „Nein“s doch viel tiefersitzender der strukturelle Ungeist des Hamburgischen „Hauptsache dabei“ ist?? Auf dieser Ebene der guten Miene zum bösen Spiel chronischer Unterfinanzierung können wir doch nicht weiter moderieren! Man kann also in Hamburgs freier Szene gar nicht bestmöglich mit den Ressourcen umgehen, weil diese absolut unterirdlisch limitiert sind!! Daß das Gesamt-Budget für die freie Szene so respektlos limitiert ist, das ist der Punkt, weswegen „Hauptsache frei“ als neuerliches Beispiel mit 60.000€ auskommen soll und die angeprangerten niedrigen Gagen zahlt. „Stimme X“ ist das selbe traurige Sipiel in Hamburg: „Hauptsache dabei“, egal wie. Ob diese Konzeption, der sich die planenden Institutionen und Durchführerinnen des Festivals durch deren Geburtshilfe und Leitungsfunktion auch unterwerfen und anschließen, der richtige Weg ist, – dazu darf es ganz sicherlich überhaupt GAR KEINE unterschiedlichen Sichtweisen für uns freie Künstler geben..Überhaupt gar keine! Empört Euch! Empören wir uns!
    Und: im Sinne unserer zielführenden Handlungen ganz praktisch gesprochen, sind die 1-Million-$-Fragen für mich: Wie erlangen die freien Künstler Hamburgs mehr Respekt? Und wie gelingt die dringend nötige Solidarität?

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  7. Was in dieser Debatte, finde ich, noch nicht ausreichend klar wird: Daß es sich bei einem der Träger dieses Festivals – aufgrund einer äußerst unglücklichen Konstruktion, gegen die ich vehement widersprochen habe – um den Dachverband der Freien Theater Hamburgs selbst handelt.
    D.h., WIR bezahlen uns selbst diese traurigen Gagen und haben das vollständig selbst zu verantworten.
    Woraus aber auch folgt, als Mitglieder des Dachverbands, es ist weder nötig, das Festival zu boykottieren, noch gar an einer „Diskussionsrunde“ teilzunehmen, sondern wir müßten einfach nur beschließen, was wir für angemessen halten. Idealerweise bildete sich zu diesem Zweck zunächst eine Arbeitsgemeinschaft, zu der natürlich zuallererst die Unterzeichnenden der Initiative „Hauptsache Dabei“ gehören sollten (+ auch Vertreter der freien Szene außerhalb des Verbands)!
    Noch zwei Anmerkungen zu der sich hoffentlich entwickelnden Debatte:
    Erstens: 180.000 ist soviel ich weiß die Förderung der Kulturbehörde für drei Jahre, also jeweils 60.000
    Diese Summe dient natürlich dann auch dazu, weitere Mittel einzuwerben, sodaß der Gesamtetat des Festival deutlich über 80.000 p.a. liegen sollte. Hinzu kämen die Eintrittseinnahmen, also insgesamt möglicherweise an die 100.000 €.
    Mit diesen Summen sollte es durchaus möglich sein, angemessen zu zahlen.
    Zweitens: 150 als Abendgage pro Künstler auf der Bühne + Regie und Assistenz ist durchaus eine Grundlage, hinzu müssen entsprechende Wiederaufnahmekosten kommen, die nur für jede Produktion einzeln ausgehandelt werden können und je nach Bedarf auch über 1.000 € liegen können. Es hat nichts mit Transparenz zu tun, hier jedem die gleiche, zu niedrige Summe anzubieten.
    Drittens: Wie vom Kollegen Rabe angedeutet, sollte und könnte ein Festival auch offen sein für Premieren und diese natürlich auch finanziell anders behandeln als Wiederaufnahmen.
    Zusammenfassend würde ich meinen, mit ca. 100.000 € pro Jahr sollte es möglich sein, 10 – 15 Produktionen mit sehr unterschiedlichen finanziellen Bedürfnissen professionell zu bezahlen. Beiprogramm wie Workshops etc ist sehr schön, sollte aber erst dann finanziert werden, wenn ersteres garantiert ist. Die teilnehmenden Bühnen sollen nicht zu den Begünstigten zählen, sondern, wie bei solchen Sachen üblich, dem Festival eine Teilung der Abendeinnahmen zu 70:30 bieten. Auch dies ist branchenüblich.

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  8. Norbert Hackbusch schreibt:

    Hallo,

    ich habe mit großem Interesse Ihre Absage gelesen und kann die
    Argumente sehr gut verstehen – zumal sie ja auch schon eine Geschichte
    haben. Wir werden dieses Thema in der nächsten Zeit weiterhin auf dem
    Schirm haben und wahrscheinlich direkt per Kleiner Anfrage zum Thema
    machen. Dazu werden wir uns Anfang nächstes Jahres bei Ihnen/Euch
    melden.

    schöne Weihnachtszeit!!

    Norbert Hackbusch
    Fraktionsvorstand Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft
    Vorsitzender des Kulturausschusses

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